„Unsere Glasgraveure zählen nicht nur zu den Besten ihres Handwerks und verstehen es, Trinkgläser in edle Kunstobjekte zu verwandeln. Sie bringen auch eigene kreative Fähigkeiten ein und finden immer wieder neue Varianten, die ein Glas zu einem visuellen und haptischen Erlebnis machen,“ beschreibt Inhaberin Birgit Rotter den Kern des Unternehmens und ergänzt: „Bis ein Glasschleifer wirklich sein Handwerk beherrscht, vergehen nach der Ausbildung an der einzigen Fachschule in Deutschland gut sieben Jahre. Erst dann besitzt er die für unsere Produkte nötige Kunstfertigkeit und Erfahrung.“
Schon wenn man die kleine Manufaktur von Rotter Glas betritt, spürt man, dass hier etwas ganz Besonderes entsteht. Das Unternehmen vertritt die Philosophie der offenen Manufaktur. Das heißt, der Besucher bekommt nicht nur den eindrucksvollen Showroom zu sehen. Er ist auch eingeladen, den hier arbeitenden Graveuren über die Schulter zu sehen und aus erster Hand zu erleben, wie Glaskunst entsteht.
Kunstfertigkeit und Erfahrung
Dank Zugverspätung in Lübeck geblieben
Das Unternehmen wurde von Carl Rotter gegründet, der 1948 nach Lübeck kam. Sein Vater betrieb in Schlesien eine Glasschleiferei mit immerhin 40 Facharbeitern. Sein Sohn Carl entwickelte schon sehr früh künstlerische Ambitionen und zeigte sich als technischer Tüftler seiner Zunft. So entwickelte er zum Beispiel ein Verfahren, mit dem es möglich wurde, kugelförmige Strukturen sehr tief ins Glas einzuschleifen. Dieses Kugelbohrverfahren wurde 1929 zum Patent angemeldet.
Eigentlich war Rotter ja damals mit seiner Familie auf dem Weg in den Bayerischen Wald, der noch heute als das Zentrum der deutschen Glasindustrie gilt. Doch nachdem es in Lübeck zweimal nicht mit dem Anschlusszug klappte, entschloss sich der Glaskünstler kurzerhand, in der alten Hansestadt Lübeck zu bleiben und gründete die Glasmanufaktur, die heute noch besteht.
Familienunternehmen in fünfter Generation
In seinem eigenen Betrieb konnte er endlich die Designideen verwirklichen, mit denen er im Betrieb seines Vaters auf wenig Interesse gestoßen war. Er machte sein Schleifverfahren zum Markenzeichen und wurde schnell weit über die Region hinaus für seinen „Kugelbecher“ bekannt. Dieses außergewöhnliche Trinkglas lag nicht nur äußerst angenehm in der Hand. Es war auch für seinen ganz speziellen Kaleidoskop-Effekt bekannt.
Rotter Glas befindet sich mittlerweile schon in der fünften Generation in Familienbesitz. Das Unternehmen versteht sich als Manufaktur. Hier entstehen vor allem alltägliche Gebrauchsgegenstände aus Glas mit einem künstlerischen Anspruch. Der Vertrieb erfolgt in Deutschland über ausgesuchte Fachgeschäfte. Außerdem beliefert Rotter Fachhändler in mehreren europäischen Ländern und bis nach China, Japan, Singapur und die USA.
Rotters Kugelbecher gibt es heute noch. Doch der Showroom in Lübeck demonstriert, dass das historische Erbe des Unternehmensgründers mittlerweile zu einer breiten Palette unterschiedlicher Gläser ausgebaut wurde, die in zahlreichgen Farbvarianten schimmern. Darüber hinaus hat Rotter zusätzliche Geschäftsfelder erschlossen und setzt mittlerweile drei unterschiedliche Technologien zur Glasveredelung ein: Gravieren, Schleifen und Sandstrahlen.
Kleinserien für unterschiedliche Anlässe
„Nur 3000 handveredelte Gläser im Jahr verlassen unsere Manufaktur,“ sagt Mitarbeiterin Claudia Schult. Neben künstlerisch veredelten Gläsern in mehreren Farbvarianten bietet Rotter auch eine spezielle Lübeck-Serie mit eingravierten Motiven aus der Hansestadt. Dazu kommen Kleinserien für die unterschiedlichsten Anlässe und individuell angefertigte Trophäen für sportliche Wettbewerbe, wie zum Beispiel die Travemünder Woche.
Rotter Glas ist ein typisches Beispiel für die Vielfalt von Handwerk, Industrie und Handel in der Metropolregion Hamburg. Ein Unternehmen, das der Massenproduktion trotzt und sich an eine Zielgruppe wendet, die wieder das Ursprüngliche sucht.
sw/kk