Heute setzen sich rund 2.000 Clubmitglieder für die Förderung des demokratischen Staatswesens, Toleranz und Völkerverständigung ein. Im Schnitt werden 40, oftmals hochkarätig besetzte, Vorträge im Jahr gehalten. So waren fast alle deutschen Bundespräsidenten und Bundeskanzler:innen bereits zu Gast. Dazu kamen weitere bekannte Politiker und Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland, darunter Charles de Gaulle, François Mitterrand, Bruno Kreisky, Boutros Boutros-Ghali, Jassir Arafat oder der französische Staatspräsident (1974 bis 1981) Valéry Giscard d‘Estaing. Als besonderes Highlight gilt der Übersee-Tag, der jedes Jahr um den 7. Mai herum stattfindet – Als Erinnerung an die Verleihung der Hafenrechte an die Stadt Hamburg durch Kaiser Friedrich Barbarossa im Jahre 1189. Alle zwei Jahre wird aus dem Übersee-Tag der Große Übersee-Tag mit feierlicher Morgenveranstaltung im Hamburger Rathaus. Hier spricht traditionell der Erste Bürgermeister ein Grußwort, gefolgt von einem Vortrag eines ausgewählten Redners bevor Stipendien an angehende Akademiker:innen und Wissenschaftler:innen vergeben werden.
1922 wird der Vertrag von Rapallo unterzeichnet, der erste amtliche Aktienindex wird vom Statistischen Reichsamt veröffentlicht – und in Hamburg wird am 27. Juni der Übersee-Club gegründet. Der Club soll die Stellung Hamburgs in der Welt fördern. In den Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs kam Deutschlands Wirtschaft angesichts der im Versailler Vertrag beschlossenen Gebietsabtretungen und Reparationszahlungen an die Siegermächte nur schwer wieder auf die Beine. Mit dem Übersee-Club wollten Hamburger Kaufleute, Industrielle und leitende Köpfe der Verwaltung ein einheitliches Handeln von Wirtschaft und Politik zum Wiederaufbau der internationalen Wirtschaft erreichen und die Weiterentwicklung der traditionellen Beziehungen Hamburgs zu den Märkten der Welt forcieren. Initiator ist der Bankier Max M. Warburg, dem ein „Sprechsaal“ vorschwebte, in dem sich herausragende Köpfe aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft begegnen. In diesem Jahr feiert der Übersee-Club sein 100-jähriges Bestehen.
Namhafte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland
Bundeskanzler Scholz zu Gast im Übersee-Club
Beim diesjährigen Großen Übersee-Tag im Jubiläumsjahr des Übersee-Clubs betonte Bundeskanzler Olaf Scholz die ökonomische Vernunft, die vor dem Hintergrund weltweiter wirtschaftlicher Verflechtungen kriegerische Konflikte eigentlich hätte ausschließen sollen. Der Krieg in der Ukraine habe jedoch zu einer neuen Wirklichkeit geführt – mit längerfristigen ökonomischen Konsequenzen, die nun eine verstärkte deutsche Unabhängigkeit erfordern, ohne dabei internationale Märkte aus den Augen zu verlieren. „Hier in Hamburg, erst recht vor dem Übersee-Club, muss ich niemanden von den prinzipiellen Vorzügen der Globalisierung überzeugen. Hamburgs Interessen als Handels- und Hansestadt liegen seit Jahrhunderten im freien internationalen Handel, in der Freizügigkeit von Arbeit und Kapital. Das ist unsere besondere Hamburger DNA.“ Das Ziel müsse nun eine kluge, nachhaltige und solidarische Globalisierung sein, so Scholz.
Festakt mit Präsidenten
Dieses Ziel passt zu den „Guten Gründen“, die der Übersee-Club identifiziert hat, um aufzuzeigen, warum der traditionelle Verein gerade in unserer Zeit gebraucht wird. Darunter Argumente, wie: „Weil hier die Zukunft der Globalisierung intensiv diskutiert wird“. Oder: „Weil es in Zeiten zunehmender Polarisierung unverzichtbar ist, unterschiedlichen Positionen eine Bühne zu geben und so einen Dialog zu ermöglichen“. Aber auch: „Weil es gut ist, wenn man beim Zuhören durch die Gedanken und Ansichten herausragender Köpfe auch mal in den eigenen Gewissheiten erschüttert wird“.
Die diesjährigen Veranstaltungen des Übersee-Clubs stehen alle im Zeichen des 100-jährigen Jubiläums. Ganz besonders wurde jedoch am 3. Juli gefeiert. Michael Behrend, seit 10 Jahren Präsident des Übersee-Clubs, lud zum großen Festakt in die Laeiszhalle. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt eine Rede, Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher sprach ein Grußwort und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron gratulierte per Videobotschaft – ein Beleg für die enge Verbindung des Übersee-Clubs insbesondere zu Frankreich.
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