Pünktlich und unter Einhaltung des geplanten Kostenrahmens konnte im Frühjahr 2016 die neue Dräger-Zukunftsfabrik in Lübeck in Betrieb genommen werden. Inzwischen sind alle Fertigungsmitarbeiter umgezogen und Stefan Dräger, Vorstandsvorsitzender der Drägerwerk Verwaltungs AG, zieht Bilanz: „Wir hatten dank einer vernetzten Produktionslogistik mit Einsparungen von rund sieben Millionen Euro pro Jahr geplant. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir diesen Wert sogar noch übertreffen werden.“ Die Investition von über 70 Millionen Euro in den hochmodernen Produktions- und Logistikstandort nennt er ein klares Bekenntnis zu Lübeck, wie auch zum Produktionsstandort Deutschland generell. Das sei in der heutigen Zeit ein Glücksfall, denn „wir erleben aktuell einen Rückgang des Wachstums des Welthandels unter das der Weltwirtschaft. Die Globalisierung scheint an einem Wendepunkt. Zudem hat der Verfall der Rohstoffpreise bei vielen Schwellenländern zu Geldproblemen geführt – bei unseren Kunden, die am stärksten zum Wachstum in den letzten Jahren beigetragen haben. Grundsätzlich jedoch sind unsere Märkte intakt und bieten gute Aussichten für die Zukunft.“
Stefan Dräger, Vorstandsvorsitzender der Drägerwerk Verwaltungs AG, spricht im Interview mit den Hamburg News über die neue Dräger-Zukunftsfabrik in Lübeck und die 127-jährige Unternehmensgeschichte.
Neue Dräger-Zukunftsfabrik erzielt höhere Einsparungen als erwartet
„Globalisierung schon immer gelebt“
Dräger, gegründet 1889, ist ein weltweit führendes Unternehmen der Medizin- und Sicherheitstechnik. Die internationale Ausrichtung war von Anfang an Teil des Unternehmenskonzepts: „Schon vor 110 Jahren haben wir unsere erste Niederlassung in den USA gegründet, wir haben also Globalisierung schon immer gelebt.“ Die engen Beziehungen zu den Dräger-Kunden in aller Welt seien wesentlich für den Erfolg des Unternehmens, betont der Vorstandschef. „Wir haben dieses globale Netzwerk systematisch aufgebaut und die Nähe zu unseren Kunden kontinuierlich verbessert, denn viele unserer Innovationen finden in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern statt.“ Die Kundennähe ist somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. „Der andere ist eben diese Innovationskraft. Der deutsche Erfindergeist liegt in uns im Blut“, erklärt Dräger, der das Familienunternehmen in fünfter Generation leitet. Geht nicht gibt es für ihn nicht. Da die deutsche Industrie nicht liefern konnte, hat Dräger schon vor 26 Jahren sein erstes Elektroauto selber gebaut. Heute fährt der ganze Vorstand Tesla. Und jeder Mitarbeiter mit Anspruch auf einen Firmenwagen, kann ebenfalls einen Tesla bekommen. Auch bei der Wahl der Software bewies Dräger Gespür für Innovation: Mit der Kundennummer 28 gehörte das Unternehmen zu den ersten SAP-Anwendern überhaupt. In Bezug auf die Beteiligung der Mitarbeiter war das Familienunternehmen ebenfalls Wegbereiter. Bereits seit 1904 gibt es ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm.
Knapp 10 Prozent des Umsatzes für die Innovationsentwicklung
2015 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro, investierte 231 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung und meldete 147 neue Patente an. 2016 werden demnach erneut knapp 10 Prozent des Umsatzes in die Innovationsentwicklung geflossen sein, sowie in den Ausbau des Vertriebs und neuer Märkte. So hat der Vorstand gerade die Gründung einer weiteren Tochtergesellschaft auf den Philippinen beschlossen. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 13.000 Mitarbeiter und ist in über 190 Ländern der Erde vertreten. Mit rund 5.000 Mitarbeitern in der Metropolregion ist Dräger einer der größten Arbeitgeber Schleswig-Holsteins. Im Segment Krankenhaus liefert Dräger Anästhesie-Arbeitsplätze für den Operationssaal, Beatmungsgeräte für die Intensivstation sowie Geräte zur Patientenüberwachung. Dräger rüstet Feuerwehren mit Atemschutzgeräten, Helmen, Wärmebildkameras und integrierten Kommunikationssystemen aus. „Auf dem Gebiet von Atemalkoholmessgeräten sind wir Weltmarktführer“, betont Dräger.
Mythos der ´Drägermen`
Persönlich ist Stefan Dräger auf ein Produkt aus dem Bereich Berg- und Tunnelbau besonders stolz. „Das ist ein Gerät aus dem Jahr 1902. Die Gründer Heinrich Dräger und sein Sohn Bernhard hatten damals von einem Unglück in einem Kohlebergwerk in den USA in der Zeitung gelesen. Den verschütteten Menschen war wegen der nicht atembaren Atmosphäre nicht zu helfen. Dräger entwickelte daraufhin ein Gerät, das es erstmals ermöglichte, unabhängig von der Außenluft zu atmen – und legte damit den Grundstein für den Mythos der ´Drägermen`. So werden die Mitarbeiter des Rettungswesens im Bergbau in Nordamerika bis heute genannt, aufgrund des Produktes, das ihren Berufsstand erst ermöglichte.“
Revolution in der Frühchenversorgung
Als Beispiel für aktuelle Innovationen nennt der 53-Jährige etwa das „Regard 7000“ zur Erfassung von toxischen Gasen und anderen Gefahren. „Das neue modulare System passt sich exakt dem jeweiligen Bedarf des Anwenders an. Und in der Medizintechnik sind wir sehr stolz auf unseren neuen BabyLeo IncuWarmer T500 zur Versorgung von zu früh geborenen Kindern, die ganz besonderer Pflege bedürfen.“ Das Gerät erzeugt die ideale Mikroumgebung für Neugeborene und regelt kontinuierlich die Temperatur-, Luftfeuchtigkeits- und Sauerstoffwerte. „Verbesserte intelligente Zugriffsmöglichkeiten erlauben nun den sicheren Wechsel zur offenen Pflege, eine Revolution in der Frühchenversorgung“. Und für die oft unvorbereiteten Eltern betreibt Dräger die Web-Site „Babyfirst.“
Dräger-Expertenteam im Weißen Haus
Als nächste Herausforderung möchte sich Dräger verbesserten Abläufen in Krankenhäusern widmen. „Da sehen wir heute noch einen viel zu hohen Aufwand für administrative Aufgaben. Dies zu ändern ist uns vor dem Hintergrund steigender Kosten im Gesundheitssystem und auch unter Qualitätsgesichtspunkten ein großes Anliegen und wir arbeiten an einem Konzept zur Vernetzung von Medizingeräten.“ Das ist vor allem in den USA auf großes Interesse gestoßen. „Unser Expertenteam wurde ins Weiße Haus eingeladen, nachdem Barak Obama das Thema „Digital Health“ zur Chefsache gemacht hat“, erzählt Dräger. „Inzwischen ist unser Konzept unter ISO/IEEE 11073 als gültiger Standard erklärt geworden“.
Dekarbonisierung der Weltwirtschaft
Generell sieht der erklärte Anhänger von Zukunftstechnologien große Chancen in der fortschreitenden Digitalisierung. Für sein Geschäft und für die Menschheit. „Die Digitalisierung wird die Menschen noch mehr miteinander vernetzen und verbinden. Das Wissen in der Welt wird noch schneller wachsen und noch mehr Innovationen ermöglichen. Schon heute erleben wir Entwicklungen, an die wir vor zehn Jahren nicht mal im Traum gedacht hätten. Das ist inspirierend – und ich freue mich auf unsere Zukunft. Und persönlich noch auf eine andere Entwicklung: Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft.“ Stefan Dräger nutzt seit mehr als 30 Jahren eine Wärmepumpe mit Erdsonden und bewohnt seit 20 Jahren ein CO2-neutrales Haus.
ys/kk
Quellen und weitere Informationen
Drägerwerk
Gegründet 1889 von Johann Heinrich Dräger und Carl Adolf Gerling als Firma Dräger & Gerling mit Stammsitz in Lübeck, ist das Unternehmen heute ein international führendes Unternehmen der Medizin- und Sicherheitstechnik mit Niederlassungen in über 190 Ländern. Eigene Entwicklungs- und Produktionsstätten von Dräger gibt es in Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Schweden, Südafrika, in den USA, Brasilien, Chile, Tschechien und China. 1979 ging Dräger mit der Ausgabe von Vorzugsaktien an die Börse und ist heute im Aktienindex TecDax gelistet.