Energiewende

Wie gelingt die Energiewende?

30. April 2025
Wasserstoff gilt als Schlüsselfaktor einer erfolgreichen Energiewende. Hamburg News sprach mit dem Leiter des CC4E, Professor Hans Schäfers, über das Spannungsfeld Wirtschaftlichkeit und technischen Fortschritt

Hamburg verfolgt eine ambitionierte Klimaschutzstrategie: Bereits 2040 will die Stadt klimaneutral sein und damit fünf Jahre früher als Deutschland, das sich 2045 zum Ziel gesetzt hat. „Ja, das ist ambitioniert, aber es ist machbar“, ist Professor Hans Schäfers überzeugt. Der Leiter des Competence Center Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E), lässt keinen Zweifel daran, dass er ein möglichst frühes Erreichen der Klimaziele für notwendig hält. Der diesjährige Bericht der Weltorganisation für Meteorologie, der einen neuen Höhepunkt für den vom Menschen verursachten Klimawandel meldet, gibt ihm recht. Die Anstrengungen, Leben und Lebensgrundlagen zu schützen, müssten erhöht werden, so das Fazit der Studie. Und so betont Schäfers: „Um dem Klimawandel zu begegnen, ist ein fundamentaler Wandel unseres Energiesystems notwendig – und muss von der Gesellschaft mitgetragen werden.“ Auch deshalb ist „gesellschaftliche Transformation und Akzeptanz“ eines der Schwerpunktfelder im CC4E. 

Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur

Das CC4E der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg entwickelt im Innovationspark Bergedorf praxisnahe Lösungen für die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen der Energiewende und legt dabei weitere Schwerpunkte auf Wärme, Strom sowie Sektorkopplung und Wasserstoff. Schließlich ist der Hochlauf einer (grünen) Wasserstoffwirtschaft ein wichtiger Baustein der Energiewende. Daran ändern auch die derzeitigen Rückschläge in der Wasserstoff-Wirtschaft nichts – Airbus verschiebt die Entwicklung seines Wasserstoffflugzeugs, Arcelor Mittal stellt seine Pläne zurück, mithilfe von Wasserstoff grünen Stahl herzustellen und Quest One baut Mitarbeitende ab. „Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Hamburg ist nach wie vor richtig“, betont Schäfers. „Wir brauchen ein Wasserstoffkernnetz für den zukünftigen Bedarf.“ Das Problem: Grüner Wasserstoff ist aktuell zu teuer, um damit wettbewerbsfähig produzieren zu können.

Prof. Hans Schäfers steht auf dem Dach des CC4E inmitten von Solarpanels und lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.
Prof. Hans Schäfers, Leiter des Competence Center Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E)

Übergangsphase mit blauem Wasserstoff

Allerdings erwartet etwa Statista sinkende Produktionskosten für grünen Wasserstoff: „Bis zum Jahr 2050 wird der Preis bei gleichbleibenden Trends (gegebene Annahmen zur CO₂-Bepreisung und Erdgaspreisniveau) auf neun Cent pro Kilowattstunde fallen.“ Doch reicht das? „Damit die Wirtschaft wettbewerbsfähig produzieren kann, sollte der Preis mit dem Erdgaspreis aus der Zeit vor dem Angriff auf die Ukraine vergleichbar sein – also etwa bei vier Cent pro Kilowattstunde liegen“, so Schäfers. Für eine Übergangsphase kann sich der Professor für intelligente Energiesysteme und Energieeffizienz an der HAW Hamburg deshalb durchaus den Einsatz von blauem Wasserstoff vorstellen. Blauer Wasserstoff wird durch Dampfreformierung von Erdgas erzeugt, während grüner Wasserstoff durch die Elektrolyse von Wasser hergestellt wird, wozu ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien eingesetzt wird.

Zu sehen ist eine technische Anlage aus Schaltkasten mit Monitor, zylindrischem Tank und Druckluftmesser
Auch die Möglichkeiten des Direct Air Carbon Capture werden am CC4E untersucht. Auf dem Dach steht eine CO2-Adsorptionsanlage, die CO₂ direkt aus der Umgebungsluft entfernt

So sinken die Kosten

Mehrere Aspekte könnten dazu beitragen, die Kosten für grünen Wasserstoff zu senken, ist Schäfers überzeugt. „Hilfreich wäre ein Abbau regulatorischer Rahmenbedingungen, um Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und damit Zeit und Ressourcen zu sparen.“ Dieser Ansatz habe sich bei der Verkürzung von Genehmigungsverfahren für Windräder bewährt. Rund 2.400 Anlagen mit gut 14.000 Megawatt (MW) Leistung wurden 2024 bundesweit von den Behörden neu zugelassen – eine Steigerung um 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und Windkraft ist für Hamburg und das angrenzende Schleswig-Holstein ein klarer Standortfaktor, betont Schäfers. „Zusammen produzieren die beiden Bundesländer mehr Windenergie als die Region benötigt und das, obwohl Hamburg ein Industriestandort mit großem Energiehunger ist.“

Skaleneffekte erwartet

Mit der regional erzeugten Windenergie soll auch die 100-MW-Elektrolyseanlage für grünen Wasserstoff betrieben werden, die auf dem Gelände des stillgelegten Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg entsteht. Läuft alles nach Plan, kann die kommerzielle Wasserstoffproduktion 2027 starten und perspektivisch auf 800 MW erweitert werden. Der Elektrolyseur in Moorburg dürfte technisch auf dem allerneuesten Stand sein. Wird er preisgünstiger produzieren können? „Vielleicht ein wenig. Die Geschichte lehrt uns, Technologie wird auf dem Weg zu Standardverfahren und Massenproduktion effizienter.“ In Moorburg könnte somit durch die geplante Erweiterung auf 800 MW ein Skaleneffekt erzielt werden.

Hafen: Wasserstoffdrehkreuz Deutschlands

Für die Wasserstoffwirtschaft ist zudem der Hamburger Hafen von besonderer Bedeutung, betont Schäfers. „Wir werden auch in Zukunft einen großen Teil unseres Wasserstoffbedarfs importieren müssen und das aus Ländern, die grüne Energien preisgünstig erzeugen können, wie Nordafrika oder die Vereinigten Arabischen Emirate.“ Damit könnte Hamburg eine zentrale Rolle als Wasserstoffdrehkreuz Deutschlands einnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) im Auftrag der Hamburger Wirtschaftsbehörde. So ist ein erfolgreicher Wasserstoff-Markthochlauf sowohl ein entscheidender Faktor für die Energiewende – als auch für Hamburg, unterstreicht der Experte: „Der Import von Wasserstoff als wachsendes Geschäftsfeld kann zu einer Schlüsselbedeutung für die Zukunft des Hamburger Hafens werden.“

Hamburg ist zu einem zentralen Hub für die Energiewende geworden. Dabei stehen Erneuerbare Energien und der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft besonders im Fokus. Weitere Informationen dazu unter future.hamburg.
ys/sb/kk

Quellen und weitere Informationen

CC4E

Am Competence Center Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) der HAW Hamburg arbeiten aktuell 32 Professor:innen und 60 wissenschaftliche Mitarbeiter:innen in zahlreichen (Teil-)Projekten an praxisnahen Lösungen für ein breites Spektrum technologischer, gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Problemstellungen – von der Idee bis zur Umsetzung.

Eines der Projekte: das Norddeutsche Reallabor (NRL). In dem Verbundprojekt aus 23 Förderpartner:innen und 33 assoziierten Partner:innen und unterstützt von sechs norddeutschen Behörden und Ministerien, sollen neue Wege zur Klimaneutralität aufgezeigt werden – vorrangig in den Feldern Industrie, Wärmeversorgung und dem Mobilitätssektor. So umfasst das NRL beispielsweise sieben Elektrolyseure mit einer Wasserstoff-Erzeugungskapazität von rund 40 MW. Das Großprojekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren (bis März 2026), das Investitionsvolumen beträgt über 405 Millionen Euro.

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