Künstliche Intelligenz

Generative KI: 3 besonders vielversprechende Anwendungsfelder

9. Mai 2023
Was sind die Chancen und Risiken von generativer KI? Ein Gespräch mit Professor Frank Steinicke von der Universität Hamburg

Der Hype um Chat GPT vermittelt den Eindruck, generative KI (künstliche Intelligenz) kann alles verändern. Mit der Technologie, die selbstständig Texte und Bilder produziert, werden ungeahnte Möglichkeiten, aber auch ebensolche Gefahren verbunden. Mehr als 1.000 internationale Expert:innen aus Technologie und Forschung – unter ihnen auch Elon Musk – haben jüngst gar eine Entwicklungspause für neue KI-Modelle gefordert. Die Hamburg News sprachen mit Frank Steinicke, Professor für Human-Computer-Interaction am Fachbereich Informatik der Universität Hamburg, über Chancen und Risiken sowie drei Anwendungsfelder mit besonderem Potenzial für generative KI.

Lieber Professor Steinicke, sind moderne KI-Systeme eine Gefahr und sollte die weitere Entwicklung der Technologie gestoppt werden?

„Stoppen halte ich für kontraproduktiv, denn ein solches Verbot wäre global gar nicht durchsetzbar und die Länder, die sich daran halten, würden technologisch zurückfallen. Ich plädiere vielmehr für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Entwicklung und Nutzung von KI unter Einbeziehung von allen relevanten Akteur:innen, wie Ethiker:innen, Kommunikationsexpert:innen aber auch Informatiker:innen. Und ich halte die Macht, die aktuell KI-Systemen zugesprochen wird, für übertrieben. Von einer übermenschlichen Intelligenz – auch starke KI genannt – sind wir noch weit entfernt.“

Das menschliche Gehirn greift auf 250.000 Jahre Evolution zurück, um eine optimale Verarbeitung von Informationen zu erreichen, Chat GPT auf große Teile des Internetwissens. Was ist besser?

„Eindeutig das Gehirn. Chat GPT produziert kein Wissen, es ist ein Redeflussmodell, das Wissen simuliert. Das tut es sogar hervorragend, nur eben ohne Verständnis hinter den Lösungen, die es präsentiert. Aber es ist ein tolles Werkzeug, das Menschen zunehmend Aufgaben, wie einfaches Coden oder Texterstellung, abnehmen kann. Damit kann es schlechte Programmierer:innen, Rechtsanwält:innen oder Ärzt:innen ersetzen – aber eben niemals gute.“

Professor Frank Steinicke von der Universität Hamburg

In diesen drei Anwendungsfeldern sieht Prof. Steinicke aktuell besonderes Potenzial für KI-Systeme:

 

1) Text- und Bildproduktion

„Gerade im Bereich der schnellen und sehr einfachen Produktion von Multimedia-Inhalten eröffnen KI-Systeme neue Möglichkeiten. Hier sind etwa Startups wie Stability.ai, Dall-E, Midjourney, Nightcafe oder Pixelz zu nennen, die auf Basis von Texteingaben oder einfacher Skizzen überzeugende Bilder erstellen. Wo vorher die Dienste von ausgebildeten Fachkräften eingekauft wurden, lässt sich so in kurzer Zeit etwa eine eigene Website auf die Beine stellen. Die generative KI ersetzt zwar keine bzw. keinen Top-Mediendesigner:in, aber sie ermöglicht es beispielsweise Gründer:innen schnell loszulegen.“

2) Medizin

„KI-Systeme werden von Generation zu Generation besser. In der Mustererkennung, wenn es etwa darum geht, tausende Röntgenbilder zu analysieren und so zur Verbesserung der Diagnose beizutragen, aber auch bei der Entwicklung von Medikamenten und personalisierter Medizin. Wichtig ist dabei: Die KI darf stets nur ein Werkzeug für Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen sein, die medizinischen Entscheidungen werden weiterhin von Menschen getroffen. Im Hinblick auf die Einschränkungen von KI sollten wir jedoch auch den internationalen Wettbewerb im Auge behalten. In Ländern wie China oder den USA gelten weniger strenge Datenschutzgrundverordnungen, die bei uns die technologischen Entwicklungen teilweise doch hemmen.“

3) Bildung

„Generative KI ist immer besser in der Lage, plausible Texte zu erstellen, die zunehmend von Schüler:innen und Studierenden genutzt werden. Das zu verbieten ist wenig sinnvoll. Vielmehr sollte der Umgang sowohl mit dem künstlich erzeugten Wissen als auch der Technik an sich gelehrt werden. Benotet werden kann beispielsweise der intellektuelle Beitrag der Schülerin bzw. des Schülers oder des Studierenden. KI-gestützte Apps wie Anton, Duolingo oder Quizlet können zudem Lehrer:innen entlasten. Statt 25 Kinder frontal mit Matheformeln oder Geschichte zu ‚bespielen‘, kann jede:r Schüler:in punktgenau lernen und Lehrer:innen können sich stattdessen darauf konzentrieren, Anregung zum eigenständigen Denken, zur Reflexion und Diskussion zu bieten.“

Auch der Umgang mit Deep Fake sollte im Unterricht thematisiert werden, ist Steinicke überzeugt. „Plausible, aber falsche Informationen mit KI zu erzeugen und sie dann etwa über Social-Media-Kanäle zu verbreiten, wird zunehmend einfacher.“ Umso wichtiger sei es, Schüler:innen frühzeitig zu sensibilisieren, Quellen zu hinterfragen und Anzeichen von Manipulation zu erkennen. „Wer weiß, wie Technologie funktioniert, lässt sich nicht so leicht täuschen.“
ys/sb

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