Für einen möglichst unverstellten Blick spazieren zunächst auswärtige Expert*innen durch Hamburg. Darunter ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, wie die Digital-Expertin Tijen Onaran oder die New Work SE-Chefin Petra von Strombeck, aber auch Pianist Igor Levit oder Klima-Aktivistin Luisa Neubauer sowie der Chef der Wiener Stadtplanung Thomas Madreiter. „Wir wollten nicht einfach Thesen in den Raum stellen, sondern mit acht Spaziergängen zu verschiedenen Themenfeldern zu spannenden, teils kontroversen Beobachtungen kommen und diese dann zur Diskussion stellen“, erklärt Vöpel. Mit der körperlichen Bewegung soll die geistige einhergehen: Einfach den Gedanken freien Raum lassen, sinnliche, emotionale und atmosphärische Eindrücke wirken lassen und das Erlebte schließlich in Worte fassen. Der so entstehende Fundus von Fakten und Ideen wird dann in einem zweiten Schritt von der Gesamtheit der Hamburger Gesellschaft kommentiert und weiterentwickelt.
Die Stadt ist ein inspirierender Ort. Und wer mit offenem Blick durch Hamburgs Straßen spaziert, kommt dabei oft zu ganz überraschenden Ideen. Diesen Ansatz verfolgt der Hamburg Konvent mit seinen Initiatoren Prof. Dr. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, dem früheren Staatsrat Dr. Nikolas Hill und Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der ZEIT Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Der zivilgesellschaftlichen Initiative geht es darum, kluge, kreative und innovative Ideen für Hamburgs Zukunft zusammenzutragen.
Der Hamburg Konvent ist als dreiteiliger Prozess konzipiert. „Im zweiten Teil kommen Podcasts, Workshops und Online-Diskussionen ins Spiel, für die wir zu den verschiedenen Themenfeldern auch Hamburger Repräsentanten gewinnen konnten“, so Vöpel. Zum Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt sind beispielsweise Bischöfin Kirsten Fehrs, Marvin Willoughby, der Geschäftsführer der Hamburg Towers, und Senatorin Dr. Melanie Leonhard angefragt. „Zu diesen Workshops kann sich jeder Hamburger digital dazuschalten.“ Vöpel hofft, dass das sehr viele Hamburger tun werden. „Denn entscheidend ist, dass die Menschen den Weg in die Zukunft mitgestalten“, betont der 48-Jährige, der gerade zum Vorsitzenden des jüngst gegründeten Zukunftsrats Mecklenburg-Vorpommerns berufen wurde und sich auch in dieser Position damit beschäftigt, Menschen für die Zukunft zu begeistern.
Die Namensgebung des Hamburg Konvents ist vom französischen Nationalkonvent beeinflusst und weckt damit Assoziationen zur Französischen Revolution. „Es geht durchaus darum, den volonté générale zu identifizieren: Was verbindet uns? Wie finden wir vor den Hintergrund fundamentaler Umbrüche eine gemeinsame Linie? Und wie binden wir dabei die verschiedenen Akteure mit ihren jeweiligen Interessen ein? Das ist herausfordernd, aber wir brauchen keine Revolution“, schmunzelt Vöpel. Was wir jedoch brauchen, ist ein mutiges Um- und Neudenken, ist der Ökonom überzeugt. „Wir leben in Zeiten großer Veränderungen und epochaler Umbrüche: Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung werden unsere Gesellschaft in fast allen Bereichen stark verändern. Darüber müssen wir sprechen.“ Vöpel betont, jetzt sei die richtige Zeit dafür. Zum einen habe Corona die Gesellschaft für Zukunftsfragen sensibilisiert, zum anderen ist er überzeugt: „Je früher wir handeln, desto mehr können wir aktiv gestalten. Warten wir zu lange, bleibt uns nur noch die bloße Anpassung an den unausweichlichen Wandel.“
Wohin soll die Zukunft uns führen? Was ist uns wichtig?
Der eigentliche Konvent – und dritte Teil – ist für Anfang 2021 auf dem Hammerbrooklyn Digital Campus geplant. „Aber das ist nicht das Ende“, betont Vögel. „Die Idee ist, Leit- und Zukunftsbilder zu formulieren, die wir auch der Politik vorstellen werden, sie aber kontinuierlich auf unserer Plattform weiterzuentwickeln. Denn eine Stadt und die Zukunft sind niemals fertig.“
ys/sb
Quellen und weitere Informationen
Hamburg Konvent
Die organisatorische Leitung des Hamburg Konvent übernimmt die ZEIT-Stiftung. Weitere Partner sind der Hamburger Unternehmer Marc Schwieger mit seiner Agentur PUSHH, Julian Petrin mit Urbanista - Büro für Stadtentwicklung sowie Birgit Detig, Cities Director Berlin, Hamburg, München bei Arcadis. Der NDR begleitet die Expert*innen auf ihren Spaziergängen.