„Der König der Löwen hat mit den hinreißenden Puppets die Branche revolutioniert. Hamilton stellt nun einen weiteren Quantensprung in der Musicalgeschichte dar, davon bin ich überzeugt“, betont der Experte. Das Erfolgsgeheimnis erklärt er so: „Die Geschichte über den amerikanischen Gründervater Alexander Hamilton ist nur vordergründig die Story. Tatsächlich ist es ein universales Thema um das persönliche Schicksal des Protagonisten, der es mit unfassbarer Energie und Pfiffigkeit vom Tellerwäscher zum Millionär und Multitalent bringt.“ Dieses Narrativ lasse sich auf unsere aktuelle Situation übertragen und mache Mut: „Es gibt charismatische Menschen, die wirklich die Welt verbessern können. Und das Musical erzählt dies auf wunderbar anspruchsvolle wie nahbare Weise.“
Was ist Kultur wert? 2015 war eine Karte für das Musical Hamilton New Yorker Fans immerhin an die 1.000 Dollar wert. „Das waren wohl Schwarzmarktpreise, genaue Zahlen kennen wir daher nicht. Aber tatsächlich wurden astronomische Summen für eine Karte der ausverkauften Shows gezahlt“, erzählt Stephan Jaekel, Pressesprecher der Stage Entertainment GmbH. Der enorme Erfolg überraschte sogar die Macher:innen: Ein Musical über historische Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts, divers inszeniert – George Washington ist schwarz besetzt, in Hamburg mit Charles Simmons – und mit Hip-Hop als vorherrschender Musikrichtung. Das war ein Wagnis. „Und es hat sich ausgezahlt“, so Jaekel. „Inzwischen hat sich das Preisgefüge normalisiert. Doch die Nachfrage ist immer noch ungebrochen, die Show Abend für Abend ausverkauft.“ Damit habe Hamilton den König der Löwen als Broadway-Musical mit den höchsten Eintrittspreisen abgelöst. Lässt sich ein solcher Erfolg auch in Hamburg realisieren, wo der Disney-Klassiker bereits seit Dezember 2001 erfolgreich läuft?
Vom Tellerwäscher zum Millionär als universales Thema
Hamilton eröffnet neuen Zielgruppen Zugang zum Genre
Stoff und Inszenierung würden zudem ganz neue Zielgruppen ansprechen. „Mit Hamilton haben wir die Chance zu zeigen, dass Musical mehr ist als Andrew-Lloyd Webber-Klassiker und romantische Disney-Stoffe. Musical kann anspruchsvolle Stoffe unterhaltsam transportieren und Denkanstöße geben“, ist Jaekel überzeugt. Der Überraschungserfolg in Amerika – und auch die extremen Preise – hätten zudem die Neugier über den Kreis der klassischen Musicalfans hinaus geweckt. Außerdem die der Hip-Hop-Szene sowie junger, Social-Media-affiner Menschen, die durch Instagram oder Youtube bereits mit Hamilton vertraut seien, sich aber nun erstmals auf das Genre Musical einließen. „Das Erschließen neuer Zielgruppen ist für uns natürlich ausgesprochen wichtig. Neu ist vielleicht, nun unserem Stammklientel zu vermitteln, dass unsere 43-köpfiger Cast sie auch mit Hamilton garantiert begeistern wird.“ Mit den bisherigen Vorverkaufszahlen ist Jaekel schon mal zufrieden. „Wir sind auf einem guten Weg hin zur Premiere am 6. Oktober im Operettenhaus.“
Mehr Musicaltheater, mehr Hamburg-Besucher
Geht die Marketinstrategie weiter auf, profitiert nicht nur die Stage Entertainment, die immerhin knapp 13 Millionen Euro in die deutsche Premiere investiert. Auch für Hamburg, als drittgrößter Musicalstandort nach New York und London, lohnen sich erfolgreiche Neuinszenierungen. Rund 600 Millionen Euro externe Kundenwertschöpfung durch Übernachtung, Gastronomie, Shopping sowie den Besuch weiterer Sehenswürdigkeiten und Museen, spülen allein die vier Hamburger Musicalhäuser der Stage Entertainment jährlich in die Kassen der Stadt, so eine Erhebung des Unternehmens von 2018. „Die nächste Erhebung planen wir für 2023. Dabei befragen wir auswärtige Besucher, was der Anlass ihrer Städtereise war und 80 Prozent gaben 2018 den Muscialbesuch an.“ Ob die neue Erhebung allerdings nahtlos an die Zahlen von 2018 anknüpfen kann, will Jaekel noch nicht prophezeien. „Das Publikum kehrt schnell und stark zurück. Offenbar wurde der Zauber des Live-Entertainments wirklich vermisst und so liegen wir aktuell bei den Besucherzahlen wieder auf Vor-Corona-Niveau. Aber anderthalb Jahre Lockdown lassen sich nicht so schnell aufholen.“ Obwohl Jaekel anklingen lässt, dass es durchaus eine Möglichkeit gibt, die Hamburger Zahlen deutlich zu steigern: Ein fünftes Musical-Haus. „Wir denken darüber nach.“ Mehr dazu demnächst in diesem Theater.
ys/sb
Quellen und weitere Informationen
Stage Entertainment GmbH
Die Stage Entertainment GmbH entwickelt und produziert Live Entertainment Formate und beschäftigt rund 2.000 Mitarbeiter:innen. 1998 von Joop van den Ende in den Niederlanden gegründet und 2018 von dem US-amerikanischen Medienunternehmen Advance Publications übernommen, umfasst das Portfolio aktuell rund 80 Produktionen, aufgeführt in 19 Theatern weltweit – vier davon in Hamburg.