Für den Offshore Drohnen Campus Cuxhaven ist der erste Langstreckenflug ein Meilenstein, dabei ist er erst im September 2024 eröffnet worden. Als Standort für die neue Forschungseinrichtung hat sich Cuxhaven quasi aufgedrängt, denn die Stadt am östlichen Zipfel der Metropolregion Hamburg hat sich zum Motor der deutschen Offshore-Industrie entwickelt. In Cuxhaven herrscht Aufbruchstimmung – es ist Deutschlands einziger ausgebauter Offshore-Fertigungs- und Installationshafen und er wächst weiter. Denn damit der Ausbau der Windkraft auf den Meeren Fahrt aufnehmen kann, muss auch an Land die Infrastruktur stimmen. In den Häfen braucht es Platz, um die Anlagen zu bauen und zu lagern. Und hier müssen auch Schiffe anlegen können, die die riesigen Teile in die Weiten der Meere bringen. Dafür bietet Cuxhaven beste Voraussetzungen: Im Februar 2025 beginnt hier der Bau von drei neuen Liegeplätzen für den Umschlag von Anlagen. Läuft alles nach Plan, sollen ab 2028 Spezialschiffe mit einer Länge von bis zu 300 Metern festmachen können. 300 Millionen Euro kostet die Erweiterung, gestemmt wird die Investition von der Hafenwirtschaft vor Ort, dem Bund und dem Land. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies sagt: „Niedersachsen ist die Energiedrehscheibe Deutschlands und wird durch diese Investition auch zukünftig den Industriestandort Deutschland und seine Unternehmen und Arbeitsplätze absichern.“
Schon bald könnten Drohnen die Wartungsteams von Windparks verstärken – und Rotorblätter inspizieren, Schäden fotografieren oder Ersatzteile von Land aufs Meer liefern. „Unsere Idee sind quasi Drohnenlinienflüge zur Überwachung und Wartung maritimer Infrastruktur, wie Windkraftanlagen, draußen auf dem Meer“, erklärt Kai Brune im Gespräch mit Hamburg News. Er ist Physiker und Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, das den Offshore Drohnen Campus Cuxhaven (ODCC) in der Metropolregion Hamburg betreibt. Nun ist vom ODCC aus der erste Langstreckenflug nach Helgoland und zurück gelungen, gemeinsam mit dem Unternehmen Droniq. Insbesondere durch die Windverhältnisse eine Herausforderung. „Wir sind auf einem sehr guten Weg. Mit verschiedenen Tests am Offshore Drohnen Campus Cuxhaven konnten wir zeigen, dass der Betrieb sicher und zuverlässig möglich ist“, so Brune weiter. Langwierige Anfahrten per Schiff oder teure Materialtransporte per Helikopter ließen sich so reduzieren. Und: Neben dem Monitoring von Windparks seien weitere Anwendungen denkbar. Drohnen könnten zum Beispiel kritische Infrastrukturen auf See überwachen, Wasserproben sammeln oder bei Schiffsunglücken Lagebilder schicken.
Cuxhaven ist Motor der deutschen Offshore-Industrie
Siemens Gamesa und Titan Wind Energy investieren Millionen
Auch aus der Industrie gibt es Rückenwind für Cuxhaven. Anfang des Jahres verkündete Siemens Gamesa, den Standort auszubauen. 135 Millionen Euro investiert der Windturbinenbauer und erweitert so die Kapazitäten. Die Fabrik in Cuxhaven fertigt Maschinenhäuser für Offshore-Anlagen, die weltweit verschifft werden. Im Moment arbeiten rund 800 Beschäftigte bei Siemens Gamesa. 200 neue Jobs soll es künftig geben. Als weiteren Erfolg kann Cuxhaven die Entscheidung von Titan Wind Energy für sich verbuchen. Das chinesische Unternehmen will an der Elbmündung eine Produktionsanlage für Monopiles, also Fundamente für Windräder, bauen. Schon 2025 soll der Betrieb starten. Nach Unternehmensangaben werden 300 Millionen Euro investiert, 600 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Zuverlässige und effiziente Wartungskonzepte gefragt
Der Ausbau der Windkraft auf den Meeren ist zentral, damit Deutschland seine Klimaziele schafft. Die Bundesregierung hatte Anfang 2023 beschlossen, dass die Windanlagen auf See bis zum Jahr 2030 eine Leistung von 30 Gigawatt haben sollen. 2045 sollen sie sogar 70 Gigawatt grünen Strom liefern. Im Moment haben die Anlagen in Nord- und Ostsee eine Leistung von knapp 9 Gigawatt. Für die Drohnen-Forschung am neuen Fraunhofer IFAM-Campus heißt das: Es gibt viel zu tun. „Gerade mit dem Älterwerden von Anlagen brauchen wir zuverlässige und effiziente Wartungskonzepte“, betont Kai Brune. Mit Wartungsbetrieben sei man deshalb im Gespräch, um den Einsatz von Drohnen auszuloten. Außerdem bauen die Forscher:innen des Fraunhofer IFAM am Offshore Drohnen Campus Cuxhaven gerade einen Industriebeirat auf: „Unser Ziel ist es, unsere Entwicklungen genau auf die Bedarfe der Industrie abzustimmen.“
Herausforderung: Sicherheit im Luftraum
Und wann kommt die neue Kollegin Drohne ins Wartungsteam? Dass der Betrieb zuverlässig funktioniert, hat die Premiere gezeigt. Nun tüfteln die Forscher:innen weiter an verschiedenen Fragen. Zum Beispiel, ob die Drohnen künftig besser mit Akku, Verbrennungsmotor oder Brennstoffzellen fliegen sollen. Außerdem sollen die Drohnen per KI „schlauer“ werden und selbst klassifizieren, wo das Problem liegen könnte, wenn eine Anlage ausfällt. Statt 10.000 Fotos zu schicken, soll die Technik ihren menschlichen Kolleg:innen zielgerichtet eine Auswahl präsentieren. Die größte Herausforderung sei die Regulatorik – das „Spannungsdreieck zwischen Schifffahrt, Naturschutz und weiteren Luftraumnutzern“, wie Kai Brune erklärt. Es geht um ein sicheres Neben- und Miteinander von Flugzeugen, Hubschraubern, Schiffen, Umwelt und Drohnen: „Um Flüge durchführen zu können, ist es im Moment sehr aufwändig, Genehmigungen zu bekommen. Wenn wir Drohnen zuverlässig einsetzen wollen, müssen wir bei den Verfahren schneller werden.“ Nun sollen weitere Testflüge stattfinden. Fortsetzung folgt.
agu/sb/kk