Quantencomputer versprechen eine enorme Rechenleistung – und damit die Lösung komplexer Probleme. Von der Entwicklung besserer Klimamodelle über die Modellierung effizienterer Energienetze bis zu hochoptimierten Lösungen für die Verkehrssysteme von morgen werden Anwendungsfälle identifiziert, denen Quantenbits (Qubits) zum Durchbruch verhelfen können. Denn nicht für alle Probleme ist der Supercomputer die beste Antwort. In den DLR-Innovationszentren kommen Forschung, Industrie und Startups zusammen, um gemeinsam neuartige Quantencomputer zu bauen, aber auch Experten, die als Ansprechpartner für jene bereitstehen, die überlegen, ob Quantencomputing für ihr Geschäftsfeld Sinn macht. Lautet die Antwort Ja, stehen den verschiedenen Projekten DLR-Knowhow und Ressourcen zur Verfügung. Aktuell werden Labore und Werkstätten eingerichtet, im ersten Quartal 2025 sollen die ersten User loslegen können.
Es geht los – und das obwohl die Zukunftstechnologie Quantencomputing immer noch ein Stück weit Zukunftsmusik ist. Die Eröffnung des Innovationszentrums Hamburg am 18. November darf somit als ‚Tusch‘ gewertet werden, der den Weg in die Praxis betont. Auf 1.640 m² stellt die Quantencomputing-Initiative des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg Lokstedt eine umfassende Infrastruktur bereit: Laserlabore für den Bau von Quantencomputern auf Ionenfallenbasis, ein Reinraum zur Entwicklung von Quantenchips, weitere Labore speziell für Aufbau- und Verbindungstechnik und Werkstätten zur Chipherstellung. Nicht ohne Grund hat das Innovationszentrum Hamburg seine Heimat bei NXP Semiconductors gefunden. „Mit dieser Quanten-WG sind wir jetzt im Doing angekommen“, freut sich CTO Lars Reger.
Anwendungsfälle identifizieren
Erste Projekte bereits gestartet
Sechs Hardware-Projekte von Startups, Industrie und DLR-Forschung stehen bereits fest, darunter Xaphiro, der Bau eines mikrofabrizierten Quantencomputer-Prototypen mit einem 50-Qubits-Quantenprozessor als Herzstück. Oder QSea II, die modulare und skalierbare Weiterentwicklung des ersten, vollständig in Deutschland entwickelten und gebauten Demonstrators für einen Ionenfallen-Quantencomputer, der im Mai 2024 in Hamburg Lokstedt vorgestellt wurde. Übergeordnetes Ziel der QSea-Projekte ist es, Innovationen in Quantentechnologien gesellschaftlich nutzbar zu machen und in kommerzielle Anwendungen zu überführen. Der ganz große Traum dabei ist der Quantencomputer als Allzweckwaffe: Ein Rechner für alle Probleme. „Doch da sind wir noch nicht und wir werden noch einen langen Atem brauchen“, weiß Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative. Bis sich der Traum erfüllt, gilt der auf bestimmte Aufgaben ausgerichtet Quanten-Annealer als Brückentechnologie.
Wie schnell geht es weiter?
Allerdings schreitet die Technologie schnell voran. „Die Entwicklung von Hard- und Software geschieht gerade in einem unfassbaren Tempo parallel“, betont Alois Krtil, CEO vom Artificial Intelligence Center, bei dem auch das Hamburg Quantum Innovation Capital (HQIC) angesiedelt ist, das die Technologie am Standort vorantreibt. „Wir erleben gerade die 2. Quanten-Revolution und es wird allgemein damit gerechnet, dass wir für den nächsten Schritt rund 10 Jahre brauchen.“ Angesichts des aktuellen Tempos seien in Nischenbereichen jedoch bereits in fünf Jahren erhebliche Erfolge möglich, meint Krtil – und mahnt zur Eile. „Wir müssen jetzt beginnen die Rahmenbedingungen zu schaffen. Etwa die Entwicklung einer Responsible Quanten-Strategie, ähnlich der Responsible AI-Philosophie, und die Ausbildung der nötigen Talente.“ Denn der Umgang mit Quantencomputing erfordere ein Umdenken. „Wir brauchen Menschen, die Probleme aus der binären Welt übersetzen, damit sie von der Hardware von Quantencomputern verstanden werden.“ Je früher, desto besser, findet der Zukunfts-Enthusiast. Vor allem aber freut er sich über den Startschuss des Innovationszentrums. „Nun ist es offiziell: Wir haben den Sprung von der Theorie ins Tun geschafft.“
ys/kk