Wulff treibt die klimafreundliche Wärmeversorgung mit der erst vergangenen Herbst gegründeten WestholsteinWärme GmbH, an dem die Stadtwerke Brunsbüttel und die Entwicklungsgesellschaft Westholstein je zu Hälfte beteiligt sind, voran. So jung dieses Unternehmen ist, bestehen schon erste Kontakte zu Unternehmen, die die begehrte Heizwärme für Bürgerinnen und Bürger in Brunsbüttel liefern könnten.
Knapp die Hälfte des Strombedarfs in Deutschland wird bereits mit Wind- und Wasserkraft, Solaranlagen und Biomasse gedeckt. Doch die klimaneutrale Wärmeversorgung hinkt mit gut 15 Prozent den ehrgeizigen Klimazielen – eine Senkung der CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 – deutlich hinterher. Noch immer dominiert das Heizen mit Öl und Gas. Brunsbüttel in der Elbmarsch, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Hamburg, will das in den nächsten Jahren ändern. „Wir gehen raus aus der fossilen Verbrennung und rein in die regenerative Wärmeversorgung“, sagt Andreas Wulff, Geschäftsführer der Stadtwerke Brunsbüttel.
Fernwärme aus regenerativen Energien
Ein Großteil der Wärme wird demnach eine große zwischen Elbe und Nord-Ostsee-Kanal gelegene Fabrik des südafrikanischen Chemiekonzerns Sasol liefern. Hier werden die für Waschmittel, Pharmazeutika und Schleifmittel wichtigen Basischemikalien wie Tonerden, Paraffine und Fettalkohole produziert. Bei diesen Prozessen entsteht viel bisher ungenutzte Abwärme, die in Zukunft für warme Wohnungen sorgen soll.
„Bei hohem Heizbedarf – besonders im Winter – wird Wärme aus der Verbrennung von Holzhackschnitzeln ergänzt“, sagt Wulff. Diese Wärme soll das Biomasse-Heizkraftwerk der Bioenergie Brunsbüttel Contracting GmbH, einer Tochter der Hamburger Energiewerke GmbH, liefern.
„Für die Region ist dieses Projekt ein wichtiger Teil der Energiewende“, sagt Dr. Guido Austen, Co-Geschäftsführer bei Westholstein Wärme und Infrastrukturexperte der Entwicklungsgesellschaft Westholstein.
Aufbau eines Fernwärmenetzes geplant
„Im ersten Schritt wollen wir 3.000 bis 4.000 Haushalte – knapp ein Drittel der Stadt – mit dieser Wärme versorgen“, sagt Wulff. Doch damit das knapp 90 Grad heiße Wasser zu den Gebäuden gelangen kann, muss noch ein modernes Fernwärmenetz aufgebaut werden. Auf einer Strecke von etwa zehn Kilometern sollen sich die isolierten Wasserröhren durch den Untergrund der Stadt ziehen.
„Dazu müssen wir einmal quer durch die Stadt buddeln“, sagt Wulff. Die Planung dazu läuft auf Hochtouren, erste Grabungen könnten bereits dieses Jahr beginnen. Bürgerinnen und Bürger wüssten von dem Projekt. „Das Interesse und die Nachfrage sind enorm“, sagt Wulff. Denn auch die Heizkosten sollen für jeden Haushalt auf einem attraktiven und berechenbaren Niveau liegen. „Eine Gasheizung mit stark schwankenden Preisen ist dann keine Alternative mehr“, so Wulff.
Elbmarsch: Ziel ist die Klimaneutralität bis 2045
Ganz billig ist dieser Schritt zu einer klimafreundlichen Wärmeversorgung jedoch nicht. 15 Millionen Euro sind für die erste Ausbauphase in den kommenden vier Jahren vorgesehen, zu 30 bis 40 Prozent vom Bund im Rahmen des Förderprogramms „Wärmenetze 4.0“ unterstützt. Für Wulff und Austen ist dieses Wärmenetz nur ein erster Schritt.
Auf dem Wunschzettel der WestholsteinWärme GmbH stehen weitere Anlagen, die über große Wärmepumpen etwa die Restwärme aus dem Wasser des Nord-Ostsee-Kanals nutzen. Lokal könnte auch Erdwärme und Biomasse die Vielfalt der Wärmequellen vergrößern.
„Zudem sind wir hier quasi von Windrädern umzingelt“, sagt Austen. So liegt es nahe, in Zukunft auch überschüssigen Windstrom in Wärme – Power-to-Heat – oder sogar in Wasserstoff und flüssige Treibstoffe – Power-to-X – zu verwandeln. „Davon wird nicht nur Brunsbüttel, sondern die ganze Region zwischen den Flüssen Elbe, Eider und Stör profitieren“, sagt Austen. Wie sein Kollege Wulff hat er ein klares Ziel im Blick: „Bis 2045 wollen wir in der Elbmarsch klimaneutral werden.“ Damit läge die Elbmarsch voll im Plan der Klimaschutzstrategie des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein.
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